Kübelhaltung

Den wilden Bambus zähmen

von den Erfahrungen eines Raubtier-Dompteurs

Bambus ist gefährlich! Er erwürgt alles mit seinen Rhizomen, bricht aus jedem Käfig aus und erobert ganze Gärten, sogar den des Nachbarn. Kann der Mensch sich ein so gefährliches Biest in seine unmittelbare Nähe auf die Terrasse holen? Ja, behaupte ich – man kann ihn sogar im Kübel kultivieren!

„Kübel ist übel!“ – so liest man regelmäßig in einem gewerblichen Bambus-Forum im Internet. Aber auch der Bambus-Shogun aus Baden-Baden wird demnächst, spätestens aber nach der Serienreife seines beheizbaren Pflanzkübels, zum Verfechter der Kübelhaltung von Bambus werden, wetten?

Aber warum auch nicht? Es ist gar nicht so schwierig, wie oft behauptet wird! Natürlich werde ich keinen 10-Meter-vivax mit 6 cm dicken Halmen im 20-Liter-Topf einsperren und auf der Terrasse präsentieren können, aber es gibt andere reizvolle Varianten. Klar, ich muss mit dem Vorwurf der nicht artgerechten Haltung leben, aber ich bin nun mal leider kein Groß-Grundbesitzer mit riesigem Raubtiergehege und habe keine andere Wahl: will ich viele verschieden Bambusarten und -sorten kultivieren, muss ich jede (!) Nische ausnutzen. Die Rede soll hier aber nur von der Haltung draußen, an der frischen Luft sein. Ins Wohnzimmer gehört ein Bambus meiner Meinung nach nicht, das wird auf Dauer nicht funktionieren.
Die Nachteile der Kübelhaltung sind bekannt und werden immer wieder lautstark propagiert: der Bambus wird im engen Kübel nie seine wirkliche Größe erreichen – er ist anfälliger für Frost und Trockenheit –  und er wird irgendwann den Kübel sprengen. Aber ich sehe auch viele Vorteile der Kübelhaltung: Es ist damit möglich, auf sehr engem Raum viele verschiedenen Arten und Sorten von Bambus zu kultivieren. Mit Bambus im Kübel kann ich auch wunderbar hässliche Hausecken verschönern oder Fallrohre der Dachrinne verstecken. Im Sommer positioniere ich die Kübel so, dass ich den gewünschten Sichtschutz auf der Terrasse erhalte und im Winter kaschiere ich mit schönem, grünen Bambuslaub den Ausblick aus dem Wohnzimmerfenster auf dann trostlose, kahle Gehölze. Mobiles Grün ist das Stichwort!

Foto: Eric Fandel

Aber ich mag das gefährliche und exotische Raubtier im Kübel in meiner unmittelbaren Nähe auch, weil sich auf diese Art ein anderes, völlig ungewohntes optisches Erlebnis bietet. Im großen Kübel direkt neben meinem Ruheplatz auf der Terrasse wird mir der Bambus wie auf dem Tablett präsentiert. Die Perspektive ist völlig anders, so als läge man im Mini-Bambushain mit Blick nach oben. Das ist (im kleineren Rahmen) ein ähnliches Erlebnis wie im Garten der  Bödekers im Neandertal. Dort werden die Bambusse auch erhöht präsentiert und erfahren dadurch eine ganz andere optische Wirkung. Alle, die an der tollen Gartenbesichtigung der EBS-Westler im April 2005 teilgenommen haben, wissen wovon ich spreche.

Wer gewisse Regeln beachtet, etwas Geld und Mühe investiert, sowie mit kleinen Tricks arbeitet, kann durchaus erfolgreich das gefährliche Bambus-Ungeheuer im Kübel-Käfig halten. Meine Erfahrungen will ich hiermit gerne weitergeben.

Der Raubtierkäfig

Je größer – je besser! So könnte man es auf den Punkt bringen –  aber natürlich ist auch das relativ. Ein Pleioblastus distichus kann sicher schon in einen normalen Topf gepflanzt werden, aber ein Semiarundinaria fastuosa braucht doch auf Dauer mindestens einen 90 Liter-Kübel. Darin wird er aber im Laufe der Jahre auch locker die 4-Meter Schallmauer durchbrechen.
Wichtigstes Kriterium neben der Größe ist die Form des Kübels. Er darf auf keinen Fall eine bauchige Form haben! Der Bambus wird im Laufe der Zeit einen sehr kompakten Wurzel/Rhizomballen bilden und könnte dann nicht mehr umgetopft werden, ohne den Kübel zu zerstören. Ich persönlich mag sehr gerne viereckige Töpfe. Sie sind praktisch für den Einsatz direkt an Mauern und auch für Hausecken toll geeignet. Dort bieten sie auf gleicher zur Verfügung stehender Stellfläche dem Wurzelballen mehr Substrat als ein Topf ohne Ecken. Außerdem favorisiere ich hohe Töpfe, da sie ein günstigeres Verhältnis von oberirdischer Pflanze zu Wurzelballen bieten.

Materialmäßig ist alles erlaubt: ob Terrakotta, bunt glasiert, Beton, Holz oder Kunststoff ist letztendlich Geschmacksache. Nur stabil sollte der Topf sein, denn der Bambus entwickelt im Laufe der Zeit einen nicht zu unterschätzenden Innendruck. Bei schwarzen Kunststofftöpfen und dem schwarzen Maurerkübel aus dem Baumarkt wäre ich allerdings vorsichtig. Ich habe mal gelesen, dass im Sommer die durch Sonnenbestrahlung entstehende Hitze für die empfindlichen Wurzeln zu groß wird. Aber da ich in meinem direkten Umfeld auf der Terrasse solche hässlichen Töpfe kaum ertragen könnte, habe ich auch keine eigenen Erfahrungen damit gemacht. In einem schönen Übertopf ist das sicher kein Problem mehr. Aber auch ein Übertopf muss einen Abfluss fürs Gies- und Regenwasser haben, unsere Raubkatzen sind (stau)wasserscheu! Selbst ein tiefer Teller oder Untertopf kann schnell zum Problem werden. Eines meiner peinlichsten Erlebnisse war, als ich während Nachbars Urlaubs seine getopfte Fargesie (im Untertopf!) mit Unterstützung von 3-4 aufeinander folgenden Regentagen zu Tode gewässert habe. Damit war mein Ruf als Bambusexperte in unserer Siedlung komplett ruiniert. Also, der Wasserabzug muss immer und vollständig gewährleistet sein!

Ein Tipp: Kübel, deren Innenwände nicht ganz glatt sind (also Beton- Holz- oder Terrakottakübel), sollten innen herum am Rand mit Plastikfolie ausgeschlagen werden. Dadurch lässt sich der Wurzelballen beim später notwendigen Umtopfen und Teilen viel leichter austopfen. Man kann die gesamte Pflanze einfach aus dem Gefäß heben. Und In Terrakottatöpfen verliert der Wurzelballen auch nicht mehr so viel Wasser durch Diffusion – ein positiver Nebeneffekt! Um die Belüftung des Wurzelballens zu fördern, kann man die Folie bei Einsatz im Terrakottatopf etwas perforieren.

Am Boden des Kübels sollte durch etwas Kies und dem Einsatz von Wurzelvlies für optimale Drainage gesorgt werden.

Das Substrat muss die Forderung des Bambus-Ungeheuers nach Luft und Wasser erfüllen, was ich durch Beimischung von Perligran erreiche. Perligran ist ein rein mineralischer Bodenverbesserer, basierend auf vulkanischem Silikatgestein. Das körnige, ph-Wert-neutrale Material kann Unmengen Wasser oder Luft speichern (Wasserspeicherkapazität bis zu 50 Vol. %!) und ist meiner Meinung nach ideal, da es einen weiteren positiven Nebeneffekt hat. Schon der amerikanische Bambusguru McClure hat sehr früh darauf hingewiesen: Bambuswurzeln, die in Substrat mit hohem Kies/Sandanteil wachsen, entwickeln sich besonders üppig (das kennen alle, die schon mal Rhizome im Kiesbett unter den Terrassenplatten ausgegraben haben). Probleme ergeben sich aber dadurch, dass so ein stark kieshaltiges Substrat schlechte Wasserspeichereigenschaften hat. Perligran löst dieses Problem! Alternativ kann man auch feinkörnigen Blähton nehmen, der bei gleichen positiven Eigenschaften aber weitaus teurer ist. Perligran kostet im 200 Liter Sack nur knapp 15 Euro. Wenn man Perligran 1:3 (eventuell sogar 1:2 – muss ich noch probieren) mit der Pflanzerde mischt, erhält man ein sehr leichtes, „federndes“ Substrat, welches unser Ungeheuer so schnell nicht verdursten lässt.

Die Auswahl der Raubtiere

Nicht jedes Raubtier kann im engen Käfig gehalten werden. Denkbar ungeeignet sind natürlich alle extrem wüchsigen, unterirdisch hyperaktiven Sorten. Einen Vivax zum Beispiel würde ich nicht über längere Zeit so eng einsperren. Aber es gibt ja, auch unter den Phyllostachys etwas zahmere Exemplare: Phyllostachys bambusoides ‘Castilloni’, Phyllostachys nigra, Phyllostachys aurea und viele mehr lohnen einen Versuch. Fargesien und die gesamte Palette der niedrigen Sorten und Bodendecker sowieso! Und das schöne an der Kübelhaltung ist das mobile Element: ich kann im Winter den Kübel in eine sehr geschützte Hausecke stellen oder bei starker Kälte sogar vorübergehend ein paar Nächte in der Garage parken. Dadurch kommen für mich plötzlich auch kälteempfindlichere Raubtierarten in Frage, an die ich mich sonst nicht heran getraut hätte – das Sortiment erweitert sich!

Phyllostachys aureosulcata ‘Aureocaulis‘ im Kübel ist kurzfristig eine Möglichkeit. Foto: Ute Außem
Die Raubtierfütterung

Wasser muss natürlich sein! Im Kübel wird auch in verregneten Sommern der Regen alleine nicht ausreichen. Also entweder regelmäßig mit der Wasserkanne (an manchen Tagen mehr als einmal) aktiv werden, oder besser sofort eine automatische Tropfbewässerung einsetzen. Das kostet nicht die Welt und befreit mich außerdem von der Sorge, wer sich während meines Urlaubs ums Gießen kümmert.

Dünger als Futter für die Bestie ist genauso notwendig! Auch wenn Bambus im Freiland ohne Dünger auskommen kann, im engen Kübel muss der Vielfraß regelmäßig gefüttert werden. Das bisschen Substrat im Topf kann den Bambus auf Dauer nicht ernähren. Was und wieviel gedüngt werden sollte, darüber gibt es tausend Meinungen. Die Diskussion um den besten Dünger kann und will ich hier nicht führen, das ergäbe mehr als nur einen weiteren Artikel fürs Bambus-Journal. Jeder sollte da auf seine bewährte Methode vertrauen. Langzeitdünger sollte es aber schon sein, damit dem gefährlichen Biest nie das Futter ausgeht.

Die Arbeit des Dompteurs

Etwas Pflege braucht das Kübel-Raubtier schon. Die übliches Schnittmaßnahmen sowieso, aber auch regelmäßiges austopfen, am besten im Frühling, ist wichtig. Denn nach spätestens 2-3 Jahren wird ihm sein Käfig garantiert zu eng. Größere Exemplare lege ich auf die Seite und ziehe an den Halmen den Wurzelballen aus dem Topf. Jetzt zahlt es sich aus, wenn man sich nach oben konisch öffnende Töpfe gewählt hat und eventuell noch die Innenseite mit Folie ausgeschlagen hat. Lange, im Kübel rundherum gewachsene Rhizome kürze ich ein und topfe in einen größeren Kübel um. Ist die für mich – bei Aufstellung auf dem Balkon auch die des Statikers – erträgliche Kübelgröße erreicht, muss der Bambus regelmäßig alle 2 – 4 Jahre geteilt werden. Den sehr kompakten Wurzelballen schneide ich mit einer Bügelsäge oder einem elektrischen Fuchsschwanz mittig durch. Das geht erstaunlich einfach und zerstört weniger Wurzelmasse als der brutale Einsatz einer Axt oder eines Spatens. Nach dem Eintopfen einer Bambushälfte hat das Raubtier wieder genügend Auslauf, die andere Hälfte kann verschenkt, getauscht oder verkauft werden. Vielleicht findet unser Bambus so (wenigstens teilweise) doch noch ein Gnadenbrot in freier Wildbahn.

Auch für den nötigen Winterschutz müssen wir Raubtierbändiger sorgen. Ich stelle die Kübel an geschützter Stelle auf Styropor- oder Styrodorplatten zur Bodenisolierung. Runde Töpfe wickle ich dick mit Zeitungspapier ein und fixiere dieses mit ein, zwei Lagen Luftpolsterfolie. Eckige Töpfe lassen sich mit entsprechend zugeschnittenen Styropor- oder Styrodorplatten noch einfacher (und wirkungsvoller?) isolieren. Natürlich sorge ich auch während des Winters für ausreichend Wasser, aber mit Dünger gefüttert wird während des „Winterschlafes“ nicht. Wenn die Temperatur länger unter Null sinkt, schütze ich die Halme und Blätter zusätzlich mit Kälteschutzvlies vor Frost und Sonne um die gefürchtete „Gefriertrocknung“ zu verhindern. Ab und zu wird mit lauwarmem Wasser gegossen und wenn es ganz dicke kommt, bleibt immer noch die Garage als Notunterkunft für ein paar Tage und Nächte. Aber trotz der Mühe: ganz ohne Risiko ist die Überwinterung in sehr kalten Gegenden sicherlich nicht.

Als weitere tierpflegerische Maßnahme bleibt nur noch das Formieren zu erwähnen, aber das ist reine Geschmacksache. Wer jedoch auf formieren Bambus steht, für den gibt es kaum eine wirkungsvollere Präsentation seines „Kunstwerkes“, als die in einem schönen Kübel an einer gut ausgesuchten Stelle, z.B. am Fuß einer Treppe oder an einer vom Wohnzimmer gut sichtbaren Stelle auf der Terrasse. Vor allem: das „Kunstwerk“ bleibt beweglich und kann im Laufe der Jahreszeiten auch mehrmals umziehen. Durch die Formierung wird auf alle Fälle das Verhältnis Blattmasse zu Wurzelmasse positiv verändert.

Mein persönliches Fazit: Kübelhaltung lohnt sich allemal für den engagierten Bambusfreund – die geringe Mehrarbeit im Vergleich zur Freilandhaltung wird meist belohnt. Ich behaupte nicht, dass meine Raubkätzchen in ihrem engen Gefängnis vor Zufriedenheit schnurren, aber sie haben sich bei mir bisher sehr gut entwickelt und mir viel Freude gemacht. Also: Kübel nix übel!!!

Artikel von Eric Fandel aus dem Bambus-Journal 4 2006

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