Die asiatischen Bambuswollläuse (Trionymus bambusae)

In seinen asiatischen Herkunftsgebieten kommen mehr als 150 Schildlausarten am Bambus vor (1). Daher ist es nicht überraschend, dass einige Arten mithilfe von importierten Pflanzen ihren Weg nach Europa gefunden haben. So dürften mittlerweile viele Fargesienliebhaber die unliebsame Bekanntschaft mit Bambuswollläusen gemacht haben. Wollläuse, auch Schmierläuse genannt, bilden innerhalb der Überfamilie der Schildläuse (Coccoidea) die Familie der Pseudococcidae. Die deutsche Bezeichnung Wollläuse oder Schmierläuse ist auf die bei vielen Arten vorkommende wollige und bei Berührung schmierende, aus Wachs bestehende Behaarung zurückzuführen.

 

In den Niederlanden und in Belgien wurden beispielsweise Wollläuse an Fargesia sp., Semiarundinaria fastuosa und Pseudosasa japonica als Trionymus bambusae identifiziert (2). Dieser Neuankömmling saugt geschützt unter den Halmscheiden Pflanzensaft, was dazu führt, dass sich der Austrieb nicht richtig entwickelt. Im Extremfall kann eine Pflanze sogar ganz eingehen. Die Tiere sterben im Winter nicht ab und sind unter den Halmscheiden nur schwer zu bekämpfen und vor Räubern wie beispielsweise Ohrwürmern geschützt. Welchen Schaden die Tiere in Ostasien anrichten, ist noch nicht bekannt (2).

Es gibt bei den Wollläusen Unterschiede von Art zu Art, aber im Prinzip sind die ersten Larvenstadien, die aus den Eiern schlüpfen, sogenannte „Crawler“, d.h. die ersten Larvenstadien krabbeln zu passenden Pflanzenteilen oder neuen Wirtspflanzen. Die Crawler können nur etwa einen Tag ohne Nahrungsaufnahme überleben. Wenn sie einmal ihren Saugrüssel eingestochen haben, bleiben sie meist an dieser Stelle sitzen. Das Crawler-Stadium ist das empfindlichste und am leichtesten zu kontrollierende Stadium der Wollläuse. Bei den erwachsenen Geschlechtstieren sind die Männchen geflügelt, so dass sie von Wirtspflanze zu Wirtspflanze fliegen können und so die Gefahr von Inzucht verringert ist. Die Weibchen sind hingegen flügellos und haben die äußere Gestalt der Larven (Neotenie). Neue Wirtspflanzen müssen daher „zu fuß“ erobert werden. Aus der Umgebung werden die Crawler also nur in Ausnahmen in den Garten einwandern können. Das Problem sind die Vermehrungsbetriebe, wo viele Pflanzen – z.T. in Folientunneln oder Gewächshäusern – sehr dicht stehen. Das große Einfallstor für Bambuswollläuse sind also neu erworbene Pflanzen. Neuerwerbungen sollte man kontrollieren und längere Zeit in Quarantäne halten. Zweckmäßigerweise lässt man sie während der Quarantäne im Topf, weil man sie so gezielter, sparsamer und umweltschonender mit einem systemisch wirkenden Insektizid im Gießwasser behandeln kann. Noch besser wäre es, mit dem Bambushändler ein Rückgaberecht zu vereinbaren, denn es ist nicht einfach oder gar preiswert, Bambuswollläuse auf einer befallenen Pflanze vollständig auszurotten. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, welcher Abstand während der Quarantäne zu anderen Bambuspflanzen eingehalten werden muss. Im Forum der EBS-D gibt es Hinweise, dass die Crawler schon 6 – 8 m überwunden haben. Auch muss man theoretisch mit der Möglichkeit rechnen, dass die Crawler über größere Entfernungen mit dem Wind transportiert werden. Schildlausarten, welche Honigtau absondern, können durch Ameisen, welche den Honigtau nutzen, auf neue Wirtspflanzen versetzt werden. Bei Bambuswollläusen habe ich jedoch noch nie den klebrigen Honigtau bemerkt.

Über die Lebensweise von Trionymus bambusae ist in unserem speziellen Fall relativ wenig bekannt. Man weiß nicht, wie viele Eier die bis zu 5 mm großen Weibchen legen und ob sich die Art nur geschlechtlich vermehrt oder ob auch Parthenogenese (Jungfernzeugung) vorkommt. Die sehr viel kleineren geflügelten Männchen sind wissenschaftlich noch nicht beschrieben. Man weiß auch nicht, wie viele Generationen von der Art pro Jahr gebildet werden. Bei der verwandten Art Trionymus perrisii wurde herausgefunden, dass 100-150 Eier gelegt werden und dass die Art in Mitteleuropa zwei Generationen pro Jahr ausbildet (2).

Autor: Raimund Düking

Quellenangaben:
(1) Ülgentürk, S., Porcelli, F., Pellizzari, G.: The Scale Insects (Hemiptera: Coccoidea) on Bamboos in the Western-Palearctic Region: New Records
and Distributional Data. Acta zool. bulg., Suppl. 6, 2014: 77-82
(2) Jansen, M.: New and less observed scale insect species for the Dutch fauna (Hemiptera: Coccoidea). Entomologische Berichten 69 (5) 2009: 162-168

Fortsetzung 01: Balanococcus kwoni – eine weitere Bambuswolllaus aus Asien.

Interessant ist vielleicht noch der Fall einer anderen Bambuswolllaus. Die bislang unbekannte Art Balanococcus kwoni wurde 2007 im botanischen Garten von Padua entdeckt und als neue Art beschrieben. Sie lebt dort versteckt unter den lang anhaftenden Halmscheideblättern von Pseudosasa japonica und ist nur schwer zu entdecken, denn die Tiere bilden keinen Honigtau mit anschließendem Rußtaupilzbefall, und die Bambuspflanze wird nicht sichtbar geschädigt. Die Art soll sich bisexuell vermehren und 4 – 5 Generationen pro Jahr ausbilden. Die dunkelroten Weibchen legen ihre ebenfalls dunkelroten Eier in Eisäckchen aus Wachs, welche Teile des Weibchens bedecken, ab. Die Tiere überwintern als Ei und schlüpfen Ende März. Die Männchen sind kurzlebig und erscheinen, wenn die Larven der 3. Generation zu erwachsenen Weibchen werden.

Was den Fall so interessant macht, ist die Tatsache, dass mit der Bambuswolllaus auch ihr Parasitoid Anagyrus niger eingeschleppt wurde. Es handelt sich um eine bislang aus Europa noch nicht bekannte winzige Erzwespe aus der Famlie der Encyrtidae. Die Tiere legen ihre Eier in Schmierläusen ab. Ihre Larven entwickeln sich in der lebenden Schmierlaus, welche erst stirbt, wenn die Larvenentwicklung des Parasitoiden beendet ist. Parasitierte Wollläuse erkennt man daran, dass sie aufgedunsen sind und wenig Wachshaare haben. Die Bambusse im botanischen Garten von Padua wurden Ende des 19. Jh. aus Asien eingeführt, und seitdem sind keine neuen Bambusarten hinzugekommen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Bambus-Schmierlaus und ihr Parasitoid im botanischen Garten von Padua schon mehr als 100 Jahre unter den Halmscheideblättern von Pseudosasa japonica existieren. Erzwespen aus der Famlie der Encyrtidae sollen meist auf nur wenige Wirtsarten spezialisiert sein. Von Anagyrus niger war noch nicht bekannt, dass er auch von der neuentdeckten Schmierlaus Balanococcus kwoni lebt. Theoretisch könnte man sich also auf dem botanischen Garten von Padua Pseudosasa japonica besorgen und probieren, ob der Parasitoid auch „unsere“ Bambus-Schmierlaus Trionymus bambusae befällt. Aber was wäre damit gewonnen? Gerade das Beipiel Padua zeigt doch, dass kein Parasitoid seine Wirtsart ausrotten kann, und es ist nicht sicher, daß der Parasitoid das Schadbild an Bambuspflanzen auf ein erträgliches Maß reduzieren würde. Wahrscheinlicher ist, dass es zu starken Schwankungen der „Räuber“- und Beutepopulationen kommt. Auch ist die Ansiedlung neuer Arten immer mit unkalkulierbaren Risiken für das Ökosystem verbunden.

Nach heutigem Wissensstand stammt Balanococcus kwoni aus Südkorea. In Italien wurde die Art mittlerweile auch in Venetien und Ligurien an Pseudosasa sp. gefunden. Auch in England ist sie weit verbreitet. Sie lebt dort an vielen Bambusgattungen, namentlich an Bambusa, Fargesia, Pharus, Phyllostachys, Pleioblastus, Pseudosasa und Sinarundinaria. Außerdem soll sie in einem Vermehrungsbetrieb in Frankreich an Fargesia jiuzhaigou festgestellt worden sein.

Autor: Raimund Düking

Quellen:
Giulia Zanettin: Balanococcus kwoni (Hemiptera, Pseudococcidae) e altri fitofagi esotici dei bambù in Italia. Tesi di laurea in riassetto del territorio e tutela del paesaggio. Relatore: Prof.ssa Giuseppina Pellizzari, Anno Accademico 2011-2012
Ülgentürk, S., Porcelli, F., Pellizzari, G.: The Scale Insects (Hemiptera: Coccoidea) on Bamboos in the Western-Palearctic Region: New Records
and Distributional Data. Acta zool. bulg., Suppl. 6, 2014: 77-82

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