Synopsis
Die EBS-Deutschland e.V. beobachtet seit etlichen Jahren die Mikrovermehrung von Bambus. Sie hat dabei auch die langjährigen Erfahrungen ihrer Mitglieder mit mikrovermehrtem Bambus berücksichtigt. Die bis jetzt vorliegenden Erkenntnisse erlauben die folgende vorläufige Stellungnahme.
Mikrovermehrung
Die Mikrovermehrung beim Bambus (oft auch als Meristemkultur bezeichnet) ist eine Methode, um aus Achselknospen von Bambuspflanzen über die Gewebekultur (in vitro) in kurzer Zeit sehr große Mengen an Bambusjungpflanzen zu produzieren. Dazu werden die Achselknospen in Sterilkultur überführt und durch Pflanzenhormone (Cytokinine wie 6-Benzylaminopurine) zur Zellteilung angeregt. Die entstehenden in vitro-Pflanzen werden später durch Zugabe anderer Pflanzenhormone (Auxine wie NAA oder IBA) zur Wurzelbildung angeregt und anschießend wieder auf Erde gebracht. Diese Pflanzen werden dann langsam wieder abgehärtet und eine Zeit lang kultiviert, bevor sie in der Regel noch als recht kleine Pflanzen in den Handel gelangen.
Empfehlung
Die EBS Deutschland e.V. rät aufgrund ihrer Erfahrungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon ab, mikrovermehrten Bambus zu verwenden, sofern der arttypische Habitus der Pflanzen erreicht werden soll. Oft haben mikrovermehrte Pflanzen viele artuntypisch dünne Halme und sind verhältnismäßig niedrig und buschig gewachsen. Dieser artuntypische Wuchs hält sich bei leptomorphen Bambussen (z.B. Phyllostachys) nach den Erfahrungen einiger Mitglieder der EBS z.T. schon über 15 Jahre. Die üblicherweise zu erwartenden Höhen und Halmdicken sind bis zum heutigen Tage an allen Standorten, über die Erfahrungen vorliegen, noch nicht erreicht worden. Für den Verbraucher und Pflanzenfreund wäre es daher von Vorteil, wenn so vermehrte Pflanzen gekennzeichnet würden, um vor unliebsamen Überraschungen geschützt zu sein. Leider gibt es diese Kennzeichnung bisher noch nicht. Für den Bambuskenner ist es noch relativ leicht, die im Handel befindlichen, nicht konventionell vermehrten Pflanzen zu erkennen. Aber was ist mit dem Erstkäufer? Zurzeit werden im Handel sowohl Bambus-Arten oder Sorten, die konventionell als auch durch Mikrovermehrung vermehrt worden sind, angeboten.
Bambusse mit pachymorphen Wuchsverhalten (z.B. Fargesia), die mittels Mikrovermehrung propagiert wurden, scheinen dagegen viel eher einen arttypischen Wuchs zu entwickeln. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Zum einen können blühende Fargesia durch Mikrovermehrung in vegetatives Wachstum zurückversetzt werden und fangen dann möglicherweise relativ bald wieder an zu blühen. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass die in vitro-Vermehrung auch von Sämlingsmaterial ebenfalls zu einer artuntypisch verfrühten Blüte führt.
Die EBS-Deutschland e.V. ist der Auffassung, dass Bambuspflanzen aus Mikrovermehrung noch viele Jahre beobachtet werden müssen – und das geschieht in vielen Gärten von Mitgliedern der EBS-Deutschland – bevor ein abschließendes Urteil letztlich möglich ist. Für die EBS Deutschland e.V. sind aber nach den gegenwärtigen Erfahrungen Pflanzen, die aus dieser Vermehrungsart entstammen, nur dann zur Verwendung geeignet, wenn der artuntypische Wuchs bewusst angestrebt wird (zum Beispiel beim Einsatz in kleinen Gärten). Dies setzt aber eine Information des Erwerbers über die abweichenden Wuchseigenschaften voraus. Ohne eine solche Information hält die EBS Deutschland e.V. den gewerblichen Verkauf solcher Pflanzen für eine Irreführung der Verbraucher. Allein zum Schutz vor Reklamationen, aber auch zur Erhaltung ihres guten Rufes empfiehlt die EBS-Deutschland e.V. den Fachverbänden und den Unternehmen, die mit Pflanzen handeln, auf der Kennzeichnung mikrovermehrter Bambuspflanzen zu bestehen oder sich die konventionelle Vermehrung von den Produzenten oder Zwischenhändlern vertraglich zusichern zu lassen. Ohne eine solche Praxis wird dem Ruf der Pflanze Bambus in Zukunft großer Schaden angetan.
Die EBS-Deutschland e.V. weist darauf hin, dass die Forschungen zur Mikrovermehrung sicher weitergehen und der Stand der Technik sich möglicherweise verbessern könnte. Eine erneute Bewertung bleibt daher vorbehalten, bis dahin gelten aber die oben skizzierten Empfehlungen.
Juni 2007
Gerhard Sieber (Ehrenmitglied der EBS-Deutschland) und Dr. Steffen Greiner