Dr. Steffen Greiner
Der Bambus des Jahres 2023, Chimonobambusa tumidissinoda ‘Addington’, zeichnet sich durch feines Laub und ganz besondere Halme aus (Abbildung 1). Wegen der begrenzten Winterhärte und dem extremen Ausbreitungsdrang ist er aber sicher nicht für alle Gärten geeignet und eher ein Sammlerobjekt.
Chimonobambusa tumidissinoda wird auch als Spazierstockbambus bezeichnet, weil zum Kostüm der Hollywood-Legende Charlie Chaplin nicht nur der Hut (Melone) sondern auch ein Spazierstock aus Bambus gehörten, eben aus einem Halm der Art Chimonobambusa tumidissinoda. Die Art hatte als lebende Pflanze China zur Zeit Charlie Chaplins noch gar nicht verlassen. Die Nutzung der Halme für Gehstöcke ist seit der Han Dynastie – also seit über 2000 Jahren – belegt. Die chinesischen Behörden hatten lange Jahre ein striktes Ausfuhrverbot für diesen Bambus durchgesetzt, der vor 1990 noch unter dem alten Namen Qiongzhuea tumidinoda bekannt war. Neben den außergewöhnlichen Halmen dieses Bambusses war sicher auch das Ausfuhrverbot ein großer Anreiz für Pflanzensammler in den 1980er Jahren, dieser Pflanze habhaft zu werden [1]. Zwischen 1987 und 1990 waren gleich mehrere Pflanzensammler erfolgreich. Dies geschah teils durch abenteuerliche Versuche den Bambus selbst in China zu sammeln, oder ihn über die Kombination von persönlichen Beziehungen und Tricks nach Europa zu bringen. Letzteres machte sich dem Vernehmen nach Peter Addington zunutze, der einen Gastaufenthalt im Kunming Botanical Garden nutzte, um einen fälschlich als Phyllostachys aurea ausgeschilderten Chimonobambusa tumidissinoda als Gastgeschenk mitzunehmen [2]. Die vegetativen Vermehrungen dieser Pflanze sind heute als Chimonobambusa tumidissinoda ‘Addington’ in den Sammlungen und im Handel.
Die heute akzeptierte botanische Beschreibung der Art Chimonobambusa tumidissinoda erfolgte erst im Zuge ihrer Neubenennung 1990 [3]. Die Abgrenzung zu anderen Chimonobambusa-Arten mit verdickten Knoten (Nodien) am Halm ist nicht immer eindeutig. Der natürliche Standort liegt in immergrünen Wäldern Chinas, in Südwest-Sichuan und Nordost-Yunnan im Gebirge zwischen 1500 – 2200 m Höhe. Das Klima dort ist geprägt durch viel Niederschlag, vor allem im Sommer, sowie durch recht hohe Durchschnittstemperaturen. Die Stadt Kunming im Verbreitungsgebiet beispielsweise liegt etwa auf 1900 m Höhe, trotzdem werden im Sommer oft 30°C erreicht, während im Winter meist nur leichte Fröste bis etwa -5°C verzeichnet werden. Die Jahresdurchschnittstemperatur von etwa 15°C liegt auch deutlich über der, warmer Regionen in Deutschland. Sicher ein Grund für die eingeschränkte Winterhärte hierzulande (s.u.).
Die Pflanze kann nach einigen Jahren 2-6 m hoch werden und erreicht dabei Halmdurchmesser von 1-3 cm. Die Halmabschnitte zwischen den Knoten (Internodien) sind 15-25 cm lang und die jungen Halme glatt und frisch grün sobald die papierartigen dicken Halmscheiden abgefallen sind. Die Halme sind – im Gegensatz zu vielen anderen Bambussen – sehr dickwandig und im unteren Bereich der Halme beinahe vollholzig (Abbildung 2).
Das auffälligste Merkmal allerdings sind die extrem tellerartig verdickten Knoten (Nodien) an den Halmen, diese können den doppelten Durchmesser wie die Halme selbst erreichen (Abbildung 3). Auf dieses Merkmal bezieht sich auch der Artname „tumidissinoda“ von lat. tumidus = geschwollen und nodus = Knoten. An den Knoten bilden sich im oberen Bereich der Halme 3-7 Seitenzweige.
Besonders attraktiv sind die sehr schmalen lanzettlichen Blätter (Abbildung 4), mit 0,6 – 1,2 cm Breite und etwa 5 – 14 cm Länge [4]. Chimonobambusa tumidissinoda entwickelt viele und sehr lange Ausläufer (leptomorphe Rhizome) und hat daher einen extremen Ausbreitungsdrang. Dadurch kommen Halme oft auch viele Meter von der Pflanzstelle entfernt auf, zumindest wenn keine entsprechenden Eingrenzungsmaßnahmen (z.B. durch Rhizomsperren) getroffen werden.
Wie die Herkunft der Pflanze schon vermuten lässt, ist die Winterhärte leider nicht sehr gut. Sie beträgt etwa -12 bis maximal -14°C. Unter ungünstigen Bedingungen kann das Laub aber auch schon bei -10°C Schäden davontragen [5]. Bei unter -14°C erfolgt i.d.R. oberirdischer Totalverlust und die Pflanze muss sich aus dem Rhizom neu aufbauen. Durch die begrenzte Winterhärte ist die Pflanze leider nicht für alle Gegenden zur Freilandkultur geeignet. Topfkultur ist möglich, auch wenn das für eine Pflanze, die üblicherweise lange Ausläufer bildet, sicher nicht auf Dauer optimal ist. Die Überwinterung muss dann allerdings so erfolgen, dass der Topf nicht durchfriert und die Temperatur vorzugsweise nicht unter -6°C fällt. Optimal wäre eine Überwinterung kühl und frostfrei. Ausgepflanzt werden sonnige Standorte bei ausreichend Feuchtigkeit sehr gut vertragen, auch halbschattige Standorte sind gut geeignet. Die Pflanze eignet sich zur Einzelstellung im Garten als Solitär wegen der attraktiven Erscheinung (Abbildung 5). Geeignete Eingrenzung der Ausläufer ist unbedingt zu beachten! In Topfkultur ist sie sehr attraktiv beispielsweise zur Terrassenbegrünung mit entsprechender Überwinterungsmöglichkeit.
Literatur und Quellen:
[1] Max Riedelsheimer, Erfahrungen mit einem Unbekannten, Gartenpraxis 12, 27 (1992)
[2] Wolfgang Eberts, persönliche Mitteilung. (2021)
[3] Chimonobambusa tumidissinoda Hsueh & T. P. Yi ex Ohrnberger, Bamboos World Gen. Chimonobambusa, 45. (1990)
[4] Flora of China, Vol. 22 (Poaceae), MBG Press. (2006)
[5] Ferdinand Merz und Steffen Greiner, Methode zur Bestimmung der Winterhärte von Bambus am Beispiel der Gattung Chimonobambusa, Bambus Journal 4, 10-14 (2015)