Fargesia angustissima, Bambus des Jahres 2020

Dr. Steffen Greiner

Die EBS-D hat – mittlerweile zum 17. Mal – den Bambus des Jahres gewählt, diesmal eine Fargesia ohne Ausbreitungsdrang mit sehr feinem Laub, die auch zur Kübelhaltung geeignet ist. Die Achillesferse dieser Pflanze ist die begrenzte Winterhärte.

Abbildung 1: Fargesia angustissima im Botanischen Garten Heidelberg. Die Pflanze ist 5,5 m hoch und seit 15 Jahren am Standort (Foto: Dr. Steffen Greiner)

Die Art Fargesia angustissima wurde erst 1985 beschrieben [1]. Gelegentlich wird sie auch als Unterart (ssp.) von Fargesia ferax [2] gesehen [3]. Der natürliche Standort dieser Art liegt in China, Zentral- und West-Sichuan, im Gebirge etwa 100-150 km nordwestlich der Bezirkshauptstadt Chengdu auf einer Höhe von 800-1700 m (Wolong/Pingwu) in der gleichen Region wie Fargesia robusta, aber auf einer geringeren Höhe, was auch die geringere Winterhärte erklärt. Das Klima ist geprägt durch starke Sommerniederschläge sowie trockene und kühle Winter. Im Sommer werden in dieser Höhenlage oft über 30°C erreicht, während im Winter meist nur leichte Fröste bis etwa -7°C verzeichnet werden. Die Stadt Pingwu hat beispielsweise eine Jahresdurchschnittstemperatur von 14,7°C und damit ist es dort deutlich wärmer als in Deutschland, wo in den warmen Regionen Durchschnittstemperaturen von knapp über 10°C erreicht werden. Verwunderlich ist das trotz der Höhenlage nicht, liegt der Naturstandort vom Breitengrad her doch auf der Höhe Nordafrikas! Die übrige Vegetation am natürlichen Standort ist geprägt von Eichen (Quercus), Berberitzen (Berberis), Walnuss (Juglans), Fiebersträuchern (Lindera), Heckenkirschen (Lonicera), Sumachgewächsen (Rhus), Kreuzdorn (Rhamnus) und verschiedenen Rubus [4]. In Pingwu leben auch etwa 280 Pandas und damit etwa 1/7 der weltweiten Gesamtpopulation. Fargesia angustissima ist eine wichtige Futterpflanze für diese seltenen Tiere.

Abbildung 2: Details der Halmscheide eines jungen Halms (Foto: Ute Außem)

Eingeführt in die USA wurde die Pflanze bereits 1989 von James W. Waddick aus Wolong von 1200 m Höhe. Nach Europa eingeführt haben die Art 1997 Jos van der Palen und Hans Prins (NL) aus Pingwu (gesammelt durch Ding Xingcui) [5]. Es gab zwei leicht unterschiedliche Pflanzen, von denen eine längere Zeit in vitro vermehrt und unter dem Markennamen „Bamboo Select“ vertrieben wurde. Unterdessen ist die Pflanze aber nur noch aus klassischer Vermehrung durch Teilung im Handel. Auch Experten können die Klone nicht zuverlässig auseinanderhalten, weshalb auch wir hier im Folgenden nicht differenzieren.

Abbildung 3: Farbenfroher Neuaustrieb und weissliche Bemehlung der Halme bei Fargesia angustissima (Foto: Jürgen Schmitz)

Fargesia angustissima wächst horstig (durch pachymorphe Rhizome) und hat daher nur einen geringen Ausbreitungsdrang. Selbst im Vergleich mit anderen Fargesien ist die Ausbreitung extrem gering (Abbildung 1). Das liegt daran, dass die Rhizomhälse, die den Halmabstand bei horstig wachsenden Bambussen bestimmen, bei dieser Art nur 1-3 cm lang sind. Dadurch stehen die Halme i.d.R. so eng, dass man keinen Finger mehr zwischen die einzelnen Halme bekommt und selbst 10 Jahre alte Pflanzen an der Basis kaum breiter als 50 cm sind. Es dürfte von allen verfügbaren Bambussen die am strengsten horstig wachsende Pflanze sein. Aber natürlich benötigt die Pflanze nach einiger Zeit doch etwas mehr Platz, weil die anfangs sehr aufrecht wachsenden Halme nach einigen Jahren aufgrund der Blattmasse deutlich überhängen. Sollte dies nicht erwünscht sein, so kann man dem durch entfernen oder einkürzen älterer Halme oder durch zusammenbinden Einhalt gebieten. Die Pflanze kann nach einigen Jahren 4-7 m hoch werden und erreicht dabei Halmdurchmesser bis 2 cm. Die Halmabschnitte zwischen den Knoten (Internodien) sind 28–35 cm lang und die Halme anfangs weiß bemehlt mit deutlicher Riffelung in Längsrichtung (Abbildungen 2 und 3). Die Halmscheiden sind papierartig bis ledrig, haben sehr kleine braune Punkte und Haare und haften lange an (Abbildung 4). Auffallend und ungewöhnlich ist, dass diese viel länger sind als ein einzelnes Internodium, so dass sie teilweise überlappen. An jedem Knoten entwickeln sich mit dem Abfallen der Halmscheiden 5-10 Seitenzweige. Besonders attraktiv sind die sehr kleinen Blätter, diese sind lanzettlich, mit 3-7 mm Breite sehr schmal und auch nur etwa 3,5 – 9 cm lang [6]. Auch der Artname „angustissima“, abgeleitet vom lateinischen „angustus“, was soviel wie eng oder schmal heißt, bezieht sich vermutlich auf die Blätter. Eine andere Möglichkeit wäre, dass damit Bezug auf die bereits erwähnte sehr enge Stellung der Halme genommen wird.

Abbildung 4: Die Halmscheiden sind papierartig bis ledrig, haben sehr kleine braune Punkte und Haare und haften lange an (Foto: Ute Außem)

Wie die Herkunft der Pflanze schon vermuten lässt, ist die Winterhärte leider nicht überragend. Sie beträgt etwa -12 bis maximal -15°C. Unter ungünstigen Bedingungen kann das Laub aber auch schon bei -10°C Schäden davontragen, welche sich dann aber im Frühjahr rasch auswachsen. Bei unter -15°C erfolgt i.d.R. oberirdischer Totalverlust und die Pflanze muss sich aus dem Rhizom neu aufbauen. Durch die begrenzte Winterhärte ist die Pflanze leider nicht für alle Gegenden zur Freilandkultur geeignet. Zum Glück ist sie aber – auch im Vergleich zu anderen Fargesien – sehr gut zur Topfkultur geeignet und wächst auch in Kübeln gut, dann muss die Überwinterung allerdings so erfolgen, dass der Topf nicht durchfriert und die Temperatur vorzugsweise nicht unter -8°C fällt. Optimal wäre eine Überwinterung kühl und frostfrei. Ausgepflanzt werden sonnige Standorte bei ausreichend Feuchtigkeit sehr gut vertragen, auch halbschattige Standorte sind gut geeignet. Die Pflanze eignet sich hervorragend zur Einzelstellung im Garten als Solitär. In Topfkultur ist sie sehr attraktiv beispielsweise zur Terrassenbegrünung (Abbildung 5).

Abbildung 5: Fargesia angustissima als Topfpflanze (links) zur Terrassenbegrünung (Foto: Ute Außem)

 

Literatur und Quellen:

[1] Fargesia angustissima T. P. Yi, J. Bamboo Res. 4(2): 21. (1985)

[2] Fargesia ferax (Keng) T. P. Yi, J. Bamboo Res. 2(1): 39. (1983)

[3] Demoly, Jean-Pierre Les bambous chinois á rhizome pachymorphe d’introduction recente, cultives en plein air en Europe, Bambou, AEB France. (2006)

[4] Wolong Nature Reserve, nach J. Campbell, Schreibschrift, unveröffentlicht. (1988)

[5] Jos van der Palen, persönliche Mitteilung. (2019)

[6] Flora of China, Vol. 22 (Poaceae), MBG Press. (2006)

 

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