Dr. Steffen Greiner
Mit Fargesia spec. ‘Taibashan 1’ wurde ein horstig wachsender und sehr winterharter Bambus gewählt, der bisher noch wenig bekannt ist.
Der Herkunftsort der Pflanze liegt – wie für die meisten winterharten Bambusse – in China, genauer am Berg Taibai (Chinesisch „Tàibái Shan“), daher der Name der Pflanze. Der Berg Taibai ist mit 3767 m der höchste Berg im Qinling-Gebirge im Südwesten der Provinz Shaanxi. Seit dem Jahr 1965 ist der Berg Taibai das Zentrum eines Naturschutzgebietes, das auch die umliegenden etwa 56000 Hektar umfasst. Ziel ist, das besondere Ökosystem der warm-gemäßigten Zone zu schützen. Der Berg liegt etwa bei 33°N und 107°E, und damit auf dem gleichen Breitengrad wie die nordafrikanische Küste! Trotzdem herrscht am Taibai warm-gemäßigtes, gemäßigtes, kühl-gemäßigtes und alpines Klima, je nach Höhenlage. Die Flora und Fauna des Taibai ist sehr vielfältig, weil Arten aus Nord- und Südchina hier in einzigartiger Weise koexistieren. Das Gebirge ist die Wasserscheide zwischen dem Han- und dem Wei-Fluss [1]. Gesammelt wurde die Pflanze auf etwa 2700 m Höhe im Jahr 1998 durch Dr. Hermann, erstmals in Europa kultiviert wurde sie anschließend durch Max Riedelsheimer. Die mittleren Höhenlangen des Sammelortes sind bewaldet, ‘Taibashan1‘ wächst also am Naturstandort eher als Unterwuchs.
Auch wenn vom Sammelort keine exakten Klimadaten vorliegen, kann man von einem mittleren täglichen Minimum im Januar von etwas unter -10°C ausgehen. Die klimatischen Bedingungen am Naturstandort lassen also eine exzellente Winterhärte in Mitteleuropa vermuten (sicher unter -20°C). Dementsprechend gab es bisher praktisch keine Berichte über Winterschäden in unserem Klima.
Die Pflanze hat anfangs einen aufrechten Wuchs, dünne mehrjährige Halme hängen aber später oft über. Die Pflanze ist horstbildend (pachymorphes Rhizom ohne Ausläufer), hat nur kurze Rhizomhälse und damit relativ kleine Halmabstände (meist 5 – 10 cm, Abbildung 1). Die Endhöhe liegt je nach Standort zwischen 2 und 3 Meter. Die Halme sind mit bis zu 1 cm Durchmesser eher dünn. Die jungen Halme sind grün, erscheinen aber durch die zumindest anfangs starke Bereifung bläulich-grau. Die gelblich bis braunen Halmscheidenblätter haften lange an und sind etwas kürzer als die Internodien (Abbildung 2). Sie sind spärlich bräunlich borstig behaart und besitzen Öhrchen und Wimpern. Nach dem Abfallen der Halmscheiden bilden sich meist 5 – 7 Seitenzweige pro Knoten (Abbildung 3). Die mit etwa 9 x 1 cm eher kleinen und länglichen Blätter sind sehr attraktiv. Allerdings ist erwähnenswert, dass die Pflanzen im Herbst einen erheblichen Teil der Blätter verlieren und so deutlich lichter durch den Winter gehen (Abbildung 4). Diese Eigenschaft ist für immergrüne Bambusse eher ungewöhnlich und vermutlich eine Anpassung an kalte Winterbedingungen, wenn unter (Dauer)Frost eine große Blattmasse schon wegen der Wasserverfügbarkeit eher ungünstig wäre.
Der Standort sollte wie bei den meisten Fargesien eher halbschattig bis schattig sein, allerdings werden auch sonnige Standorte erstaunlich gut vertragen. Bei starker Sonne oder im Winter gibt es wie bei den meisten Fargesien eine gewisse Neigung zum Blattrollen, ein sicher sinnvoller Schutzmechanismus, wenn man die Bedingungen am Naturstandort in Betracht zieht (Wintertrockenheit, s.o.).
Was die systematische Einordung betrifft, stellt Max Riedelsheimer ‘Taibashan 1‘ (im weiten Sinne) zu Fargesia nitida [3], Dr. Jean-Pierre Demoly zählt sie dagegen zu Fargesia qinlingensis oder würde sie sogar als eigenständige, bisher nicht beschriebene Art sehen [2]. Das Verbreitungsgebiet würde zu Fargesia qinlingensis passen, diese Art sollte aber auf der Höhe des Sammelortes nicht mehr vorkommen [4]. Morphologische Merkmale sprechen jedenfalls für nahe Verwandtschaft zu Fargesia nitida, wegen verbleibender Restunsicherheit bei der Artzugehörigkeit wird die Pflanze aber weiter als spec.[1] ‘Taibashan 1‘ bezeichnet. Parallel wurde noch eine 2. Pflanze gesammelt, die unter dem Namen Fargesia spec. ‘Taibashan 2′ im Umlauf ist. Die 2. Pflanze hat keine Öhrchen und Wimpern an den Halmscheiden des Neuaustriebs und längere Halmscheiden, der Habitus ist also gut unterscheidbar.
Die Pflanze ist sicher besonders interessant und schön als Solitär im Garten und für Sammler. Für größere Flächen oder Hecken ist sie wegen der reduzierten Blattmasse im Winter und auch aufgrund der sicher lange noch limitierten Verfügbarkeit eher weniger geeignet. Die sehr gute Winterhärte lässt ‘Taibashan 1‘ auch gut für Topfkultur im Außenbereich geeignet erscheinen. Hier werden sicher in den nächsten Jahren noch Erfahrungen gesammelt werden.
Quellen
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Mount_Taibai
[2] Max Riedelsheimer, persönliche Kommunikation
[3] http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=2&taxon_id=242321943
[1] Abkürzung „spec.“ als Artname, was für lateinisch species= Art steht und soviel wie „unbestimmte Art“ bedeutet.