Dr. Steffen Greiner
Der Bambus des Jahres 2024, Phyllostachys iridescens ‘Heterochroma’, ist ein sehr wüchsiger Riesenbambus, der sich durch ein ganz besonderes Farbenspiel der Halme auszeichnet. Einziges Manko ist die derzeit noch schlechte Verfügbarkeit dieser Neuentdeckung, aber das Warten lohnt sich.
Die Form ‘Heterochroma’ von Phyllostachys iridescens wurde erst im Jahr 1994 von Professor Peixin Zhang in China entdeckt. Im März 2012 traf dann Stéphane Alzaix von Newfi Bamboo (Frankreich) Prof. Zhang, der ihn zum Herkunftsort dieses Bambusses führte, den die Chinesen „hua xuang hong zhu“ nennen, was übersetzt so viel heißt wie „unglaublich bunter Bambus mit roten Trieben“ [1]. Der Ort liegt zwischen Anji und Lin’An in Zhejiang unweit der bezirksfreien Stadt Huzhou und nur etwa 100 km von Shanghai und dem Ostchinesischen Meer entfernt. Das Klima ist dort sehr warm, beinahe subtropisch und v.a. im Sommer sehr niederschlagsreich. Im Winter werden nur sehr selten Temperaturen unter -5 °C gemessen.
Am Sammelort, der abseits einer ehemaligen Teeplantage und von anderem buschigem Bambus (vermutlich Sinobambusa) und riesigen Brombeerbüschen überwuchert war, war die unglaubliche Farbenpracht dieses Bambusses noch kaum zu erahnen. Diese sollte sich etwa ein Jahr später beim ersten Austrieb nach der Einfuhr von 5 Teilstücken nach Frankreich zeigen.
Die Halmscheiden haben eine besondere, braunrote bis weinrote Farbe, welche die neuen Triebe aller Phyllostachys iridescens Formen ziert [2]. Zusätzlich sind sie mit charakteristischen dunklen Flecken übersät (Abb. 1). Nach dem Abfallen der Halmscheiden erstrahlen die Halme in leuchtendem Gelb, welches durch rote Nuancen und vor allem die grünen Streifen hervorgehoben wird. Die grüne Streifung findet sich regelmäßig im Sulcus [1] aber auch sonst seltener und unregelmäßig auf den Halmen (Abb. 2a und 2b). In den Folgejahren entwickeln sich an den ausgereiften Halmen orangefarbene Längsstreifen, die später rot/bordeauxfarben ausfärben (Abb. 3).
Die Blätter sind mit 8-17 cm Länge und bis 2 cm Breite relativ groß. Besonders an Phyllostachys iridescens ‘Heterochroma’ ist dabei, dass die Blätter bunt panaschiert [2] sein können. Die grünen Blätter haben eine teils gelbe, weiße oder sogar wunderschön orangefarbene Panaschierung (Abb. 4). Phyllostachys iridescens ‘Heterochroma’ verdient also seinen (chinesischen) Namen als „unglaublich bunter Bambus mit roten Trieben“ tatsächlich.
Da dieser Bambus vor kaum 10 Jahren als kleine Pflanze nach Europa eingeführt wurde und seither laufend vermehrt wird, gibt es noch keine ausgewachsenen Exemplare. Vieles zum Thema „Gartentauglichkeit“ müssen wir daher, abgeleitet von den Eigenschaften der Stammform Phyllostachys iridescens [3], die schon viel länger in Kultur ist, schätzen und Überraschungen sind durchaus möglich. Im Moment sieht es so aus, als wäre ‘Heterochroma’ ähnlich wüchsig und ausbreitungsfreudig wie die Stammform. Man kann also mit einer schnellen Entwicklung, Ausläuferbildung und einer Endhöhe von über 10 Metern bei Halmdurchmessern bis 8 cm rechnen. Ein Eingrenzen der Ausbreitung am besten durch eine Rhizomsperre scheint dringend angeraten. Die Halme wachsen sehr aufrecht und nur die Spitzen können elegant überhängen. Auch die Standfestigkeit ist gut, weil die Halme relativ dickwandig sind und das Holz eine gute Qualität hat.
Sehr wichtig für eine Kultur in Deutschland ist natürlich die Winterhärte. Die Stammform Phyllostachys iridescens verträgt nahezu -20°C bevor es zu ernsten Winterschäden kommt. Bisher gibt es keinen Grund anzunehmen, dass es bei ‘Heterochroma’ anders sein sollte. Etwa -14°C wurden schon ohne Schäden überstanden, was vielleicht bei den sehr milden Wintern am Sammelort der Pflanze (s.o.) erstaunt.
Die Stammform wird übrigens wegen der sehr schmackhaften Sprosse in China gern zur Sprossenproduktion genutzt und verspeist. Sicherlich etwas, was man sich bei diesem noch sehr seltenen Bambus noch lange verkneifen sollte, aber auch etwas, was man im Hinterkopf behalten kann.
Zusammenfassend ist das womöglich der farbenfrohste von allen Bambussen, die für gemäßigtes Klima geeignet sind. Zudem ist er wüchsig und macht verhältnismäßig schnell dicke und beeindruckende Halme. Phyllostachys iridescens ‘Heterochroma’ ist also eine Neuheit, die einige Mühe oder Warten wert ist, um eine Pflanze zu ergattern. Kein Wunder also, dass die Mitglieder der EBS-D diese Pflanze zum Bambus des Jahres 2024 gewählt haben [4].
Literatur und Quellen:
[1] https://www.newfishop.fr/phyllostachys-iridescens-heterochroma/
[2] Flora of China, Vol. 22 (Poaceae), MBG Press. (2006)
[3] Phyllostachys iridescens C.Y.Yao & S.Y.Chen, Acta Phytotax. Sin. 18(2): 170 (1980).
[4] https://bambus-deutschland.de/
[1] Mit Sulcus werden die Längsrinnen an Bambushalmen zwischen den Knoten bezeichnet. Diese Vertiefungen kommen v.a. in der Gattung Phyllostachys vor und können unterschiedlich zum übrigen Halm gefärbt sein.
[2] Panaschierung (oder auch Variegation) ist das Auftreten unterschiedlich gefärbter Zonen auf Pflanzen. Am häufigsten sind das Streifen auf Blättern.