Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata’, Bambus des Jahres 2025

Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ (Foto: Ute Außem)
Dr. Steffen Greiner

Der Bambus des Jahres 2025, Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ ist ein großer und Ausläufer-treibender Bambus, der mit den leuchtend gelben Halmen und grüner Streifung eine herausragende Halmzeichnung besitzt (Abb. 1).

Abb.1: 6 Jahre alte Pflanze in Mülheim an der Ruhr, erworben von Koen (Foto: Renate Lohmer)

Die Art Phyllostachys praecox ist in China in vielen Gegenden (Anhui, Fujian, Hunan, Jiangsu, Jiangxi, Yunnan und Zhejiang) in Kultur, daher ist der genaue Ursprung nicht zu bestimmen. Allerdings wurde die hier beschriebene besondere Form Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata’ im April 1996 aus dem Botanischen Garten in Hangzhou (Bambusexperte Mr. Ding Xingcui) über Jos van der Palen eingeführt. Später gab es noch eine zweite Einführung nach Europa aus dem Botanischen Garten von Shanghai auch durch Jos van der Palen, die Pflanzen schienen identisch zu sein und alle Vermehrungen gehen auf die erste Einführung zurück [1].

Namensgebung und aktuelle Nomenklatur

Die Art Phyllostachys praecox wurde erst 1980 beschrieben [2]. Weitere 10 Jahre später, nämlich 1990 wurde die hier zum Bambus des Jahres gewählte Form Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata’ beschrieben [3]. Allerdings hat sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert, dass die morphologischen Ähnlichkeiten zu der schon 1878 beschriebenen Art Phyllostachys violascens sehr auffallend sind [4]. In der aktuellen „Flora of China“ werden die beiden Arten daher nicht mehr unterschieden und Pyllostachys praecox als Synonym für Phyllostachys violascens verwendet [5]. Konsequenterweise wurde 2013 als neuer Name für Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ der Name Phyllostachys violascens ‘Viridisulcata‘ vorgeschlagen [6]. Letzterer wäre vermutlich der botanisch korrekte Name, da bei Zusammenlegung der Arten „praecox“ in der Nomenklatur nachrangig ist, da später beschrieben und so dürfte der Name nur noch Status einer Form oder Varietät bekommen. Wir möchten trotzdem bei der alten Benennung bleiben, weil der Artname „violascens“ auf die nach violett überlaufende Streifung der Halme dieser zuerst beschriebenen Art anspielt, ein Merkmal, das bei Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata’ gänzlich fehlt. Das Ganze erinnert stark an die Situation bei Phyllostachys nigra. Hier ist die gefärbte (mutierte) Form zuerst botanisch beschrieben worden und somit muss die vermutlich eigentliche Stammform „Henonis“ als Varietät ihr Dasein fristen. Aber natürlich meint man beim Namen Phyllostachys nigra, dass alle „Formen“ auch schwarz sein müssten. Eine ähnliche Konfusion bei dieser gärtnerisch genutzten Form möchten wir vermeiden.

Aber kommen wir nach den systematischen Spitzfindigkeiten, zu den realen Eigenschaften dieser außerordentlichen Pflanze.

Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ ¹ treibt im Frühjahr sehr früh aus, was bei kalter Witterung leider zu einem erhöhten Risiko für die neuen Sprossen führt. Der frühe Austrieb ist auch der Grund für den häufigen Anbau (zumindest der Stammform) zur Produktion zeitiger Bambussprossen in China.

Abb. 2: Typische Streifung von Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ (Foto: Ute Außem)

Die Pflanze kann gut etabliert und bei ausreichender Fläche 6-10 m Höhe und bis 5 cm Halmdurchmesser erreichen, ist dabei aber stark ausläufertreibend und sollte durch eine Rhizomsperre oder jährliches (!) Abstechen begrenzt werden. Auf kleiner Fläche wird das Größenpotential der Pflanze nicht ausgeschöpft. Die Winterhärte ist mit einer tolerierten Minimaltemperatur von etwa -15°C bis -20°C gut. Es gibt allerdings deutlich winterhärtere Bambusse in der Gattung Phyllostachys, weshalb man in winterkalten Regionen eher auf diese (beispielsweise Phyllostachys aureosulcata) ausweichen sollte.

Abb. 3: unregelmäßige Streifen (Foto: Renate Lohmer)

Die Halme sind gelb mit leuchtend grünem Sulcus ², daher der Name der Form (Abb. 2). Gelegentlich gibt es zusätzliche unregelmäßige Streifen außerhalb des Sulcus, was auch auf die nahe Verwandtschaft zu Phyllostachys violascens hindeutet (Abb. 3).

Abb. 4: Austrieb von Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ (Foto: Renate Lohmer)

Am neuen Austrieb sind die Halmscheiden grün-braun bis dunkelbraun mit unterschiedlich großen Flecken und violetten Streifen und fallen beim schnellen Wachstum der jungen Halme rasch ab (Abb. 4). Die Färbung der Halme ist direkt nach dem Abfallen der Halmscheiden am attraktivsten. Die Nodienringe sind deutlich hervorgehoben und die Halme zumindest anfangs bemehlt. Dickere Halme zeigen oft eine leicht bauchige Form der Internodien (Abb. 5).

Abb, 5: Zusätzliche Streifung außerhalb des Sulcus an Halmen von Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘, Typisch auch die leicht ‚bauchigen’ Internodien an dickeren Halmen (Foto: Renate Lohmer)

Die Art besitzt keine Öhrchen und Wimpern weder an den Halmscheiden, noch an den normalen Laubblättern, die mit bis 20 cm Länge und 3 cm Breite meist recht groß sind, aber auch sehr variabel ausfallen können. Die Blätter besitzen gelegentlich einzelne weiße oder gelbe Streifen. Die Art hat seit 2003 über viele Jahre sporadisch geblüht, ohne dass es dabei zu wesentlichen Einschränkungen in der Wüchsigkeit gekommen wäre. Es kam auch nie zu einer Vollblüte und unterdessen erscheinen kaum noch Blüten an den Pflanzen.

Mit Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ wurde ein großer Ausläufer treibender Bambus mit herausragender Halmzeichnung zum Bambus des Jahres gewählt. Ähnliche Halmzeichnung findet sich noch bei Phyllostachys aureosulcata ‘Spectabilis‘, Phyllostachys vivax ‚Huangwenzhu inversa‘ und Phyllostachys bambusoides ‘Castillonii‘. Allerdings ging die letztere Form, mit wohl der leuchtendsten Halmzeichnung kürzlich durch Vollblüte und anschließendem Absterben aller Pflanzen verloren. Phyllostachys praecox ‘Viridisulcata‘ bildet für diese Form einen perfekten Ersatz und schon deshalb ist dieser, bisher relativ selten kultivierten Pflanze, eine weitere Verbreitung zu wünschen.

Literatur und Quellen

[1]         Jos van der Palen, persönliche Mitteilung

[2]         Phyllostachys praecox C.D.Chu & C.S.Chao Acta Phytotax. Sin. 18(2): 176 (1980)

[3]        Phyllostachys praecox f. viridisulcata P.X.Zhang & W.X.Huang, J. Bamboo Res. 9(4): 39 (1990)

[4]         Phyllostachys violascens Rivière & C.Rivière Bull. Soc. Acclimat. France, ser. 3, 5: 770 (1878)

[5]         Zhengyi, W., P.H. Raven, and H. Deyuan (editors), Flora of China. 22, Poaceae (2006)

[6]         Phyllostachys violascens f. viridisulcata (P.X.Zhang & W.X.Huang) G.H.Lai, Subtrop. Pl. Sci. 42(1): 60 (2013)


Fußnoten

¹ praecox lat. für frühzeitig, frühreif, voreilig

² Sulcus = Furche oder Rinne an Halmen von Bambussen der Gattung Phyllostachys. Diese wird durch die Knospen der zukünftigen Seitenzweige beim Wachstum der Halme hervorgerufen

Die Seite der EBS-D