Eine wichtige Gruppe von Schädlingen sind Bambusmilben. Bambusmilben haben nichts mit gewöhnlichen Spinnmilben gemein. Diese können zwar auch Bambuspflanzen befallen (v.a. in Gewächshäusern), sind aber relativ leicht zu bekämpfen und überleben den Winter im Freiland in der Regel nicht. Das ist im Fall der Bambusmilbe leider völlig anders. Dieser Schädling hat eine Jahrtausende lange Ko-evolution mit seinem Wirt hinter sich und ist bestens an die klimatischen Bedingungen, unter denen Bambus wächst, angepasst. Der Schädling ist beispielsweise ebenso kältetolerant wie der Wirt, und auch besonders harte Winter schützen nicht vor einem erneuten Befall im darauf folgenden Jahr. In Sapporo (Japan) beispielsweise überleben Bambusmilben problemlos die dort relativ harten Winter (Saito et al., 2005). Ein Vergleich der mittleren Tagestemperaturen im Januar macht deutlich, dass die Winter dort sogar deutlich härter sind – Sapporo (min -8/max -1), Frankfurt/Main (min -2/max +3) – als in weiten Teilen Deutschlands. In China und Japan sind einige Arten der Bambusmilbe weit verbreitet. Obwohl die Schädlinge auch dort teilweise großen Schaden anrichten, hat sich so etwas wie ein ökologisches Gleichgewicht zwischen verschiedenen Arten von Bambusmilben und Raubmilben eingestellt. Letztere verhindern zumindest außerhalb von Monokulturen das überhand nehmen der Bambusmilben (Zhang et al., 2003). Bambusmilben leben in einer Art Sozialverband und bewohnen gemeinsame Nester auf der Unterseite der Blätter. Das Gespinst des Nests schützt die Milben nicht nur vor Umwelteinflüssen und Fraßfeinden sondern leider auch vor der Bekämpfung mit einer Reihe von Pflanzenschutzmitteln. Diese Nesterbildung führt auch zu dem typischen Schadbild (Abb. 1). Da die schädigende Saugtätigkeit der Milben v.a. im Nestbereich stattfindet, kommt es dort zu den sichtbaren chlorotischen Blattaufhellungen. Der Schaden liegt zunächst einmal in einer optischen Beeinträchtigung. Bei einer Pflanze, die hierzulande beinahe ausschließlich als Zierpflanze dient, kann das aber durchaus entscheidend sein. Bei stärkerem Befall kann es aber auch zu Wachstumsstörungen durch die Reduktion der Photosynthesekapazität der Blätter kommen. In China ist teilweise die Produktivität kommerziell bewirtschafteter Moso-Wälder (Phyllostachys pubescens) stark beeinträchtigt (Zhang et al., 2003).
Abb. 1. Typischer Schaden durch Bambusmilben an Phyllostachys aureosulcata ‘Spectabilis’ im Rhein-Main Gebiet (A), deutlich sind die ovalen Blattaufhellungen zu erkennen, die exakt die Milbennester auf der Blattunterseite widerspiegeln (B).
Abb. 2. Unterseite eines Phyllostachys viridiglaucescens – Blattes. Man erkennt die Gespinste (Nester) und die aufgehellten und normalen Blattbereiche, die Nester wurden teilweise entfernt (A). Die Aufnahmen wurden im Februar 2006 angefertigt, daher sind die adulten Tiere (B-E) aufgrund der Winteranpassung (Diapause) stark gefärbt. Die Milben sind etwa 1/3 mm groß und mit bloßem Auge nur zu erahnen. In (F) sieht man die Eier der Bambusmilben am Rand eines Nests.
Systematik
Erstmals systematisch beschrieben wurde die Bambusmilbe 1917 unter dem lateinischen Namen Stigmaeopsis celarius. 1950 wurde die Art neu beschrieben und der Gattung Schizotetranychus angegliedert. Dementsprechend wird man unter den Artnamen Schizotetranychus celarius die meiste Literatur finden. Vor kurzem allerdings wurde die Gattung Stigmaeopsis – aufgrund detaillierter molekularbiologischer und morphologischer Studien – wieder allein gestellt (Saito et al., 2004). Unterdessen konnten 7 Arten beschrieben werden, Stigmaeopsis celarius, Stigmaeopsis longus, Stigmaeopsis miscanthi, Stigmaeopsis nanjingensis, Stigmaeopsis tenuinidus, Stigmaeopsis sahara und Stigmaeopsis takahashii, von denen 6 auch tatsächlich an Bambus parasitieren. Nach einer vorläufigen Bestimmung durch Prof. Yutaka Saito (Hokkaido University, Japan) scheint es sich bei der in Deutschland verbreiteten Milbe um Stigmaeopsis longus oder Stigmaeopsis nanjingensis zu handeln (Prof. Saito, persönliche Mitteilung). Wahrscheinlich handelt es sich um Stigmaeopsis longus, da v.a. ältere Blätter befallen werden und Stigmaeopsis nanjingensis dafür bekannt ist, – zu mindest in China – junge Moso-Blätter im zeitigen Frühjahr zu befallen und zu schädigen.
Lebenszyklus
Die Bambusmilben entwickeln sich aus Eiern über Larven und verschiedene sub-adulte Stadien (protonymph, deutonymph) zu den fortpflanzungsfähigen adulten Tieren. Die ganze Entwicklung vom Ei bis zum adulten Tier dauert bei sommerlichen Temperaturen nur wenige Wochen. Somit sind während einer Vegetationsperiode viele Generationen möglich und der Schädling kann sich entsprechend exponentiell vermehren. Zhang et al. berichten von einer Generationsdauer von etwa 3 Wochen bei 24-26°C und nur 2 Wochen bei 28-30°C. Die erwachsenen Tiere leben dann etwa 3-4 Wochen und legen in dieser Zeit etwa 20 Eier in dem Gespinst, das ihnen somit quasi als Nest dient (Zhang et al., 2001). Dort sind die Eier gut vor Umwelteinflüssen und leider auch vor Bekämpfungsversuchen geschützt. Bemerkenswert ist, dass Bambusmilben den Winter nicht wie viele andere Spinnmilben in Form von Wintereiern überstehen, sondern als adulte weibliche Tiere (Abb.2 B-E). Dazu machen die weiblichen Tiere bei abnehmender Tageslänge eine besondere Anpassung an winterliche Temperaturen durch (Diapause). Sie stellen ihren Stoffwechsel um, verfärben sich orange, stellen die Eiablage ein und entwickeln eine große Toleranz gegenüber kaltem Wetter und Frost (Saito et al., 2005).
Verbreitung
Trotz der „sozialen“ Lebensweise sind die Bambusmilben keineswegs ortsgebunden, sie können sich im Gegenteil sehr rasch ausbreiten. In Mosowäldern in China beispielsweise werden die meisten Milben mit dem Laub Ende April abgeworfen, besiedeln jedoch die Halme und jungen Blätter innerhalb kürzester Zeit wieder. Man muss bedenken, dass dabei ein Tier, das nur etwa 0,3 mm groß ist, eine Strecke von 10-20 m (die Halme in Mosowäldern sind erst ab einer Höhe von 6-10 m bezweigt) mühelos zurücklegt. Auch Verbreitung durch Wind wird diskutiert, allerdings fehlen den Milben aus der Gattung Stigmaeopsis spezielle Anpassungen an die Verbreitung durch Wind wie sie andere Milben besitzen (Zhang et al., 2003). Man kann nur spekulieren, wie die Milben nach Mitteleuropa gekommen sind. Neben den Ursprungsländern der Milben (China/Japan) traten die Milben schon früh in den USA auf. So sind die Milben, die zur Erstbeschreibung der Art 1917 führten, in Oneco, Florida, gesammelt worden (Banks, 1917). Bevor dann vor wenigen Jahren die ersten Fälle in Mitteleuropa auftraten, wurde schon von Milbenbefall an Bambus in England und Italien berichtet. Ungeachtet, woher die Bambusmilben tatsächlich eingeschleppt wurden, mittels konsequenter Quarantäne und Kontrollen der Pflanzen durch sachkundige Personen hätte die Verbreitung verhindert werden können. Leider ist bei dem gegenwärtigen Verbreitungsgrad die flächendeckende Ausbreitung des Schädlings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur eine Frage der Zeit. Erschwerend kommt hinzu, dass durch Pflanzenschutzmaßnahmen in produzierenden Betrieben die Milben zwar in ihrer Population so weit reduziert werden, dass keine Schäden sichtbar sind, die Pflanzen aber dadurch nicht völlig frei von Milben sind und diese sich beim Käufer wieder ungestört vermehren können. Es ist an dieser Stelle schwierig, über befallene Bestände zu berichten, ohne zu stigmatisieren. Am ehesten kann man noch auf den Befall in den Zoos von Leipzig und Frankfurt verweisen. Allerdings sind auch befallene Bestände in Baumschulen, Botanischen Gärten und privaten Gärten bekannt.
Bekämpfung
Wie bereits erwähnt, kann man mit einer flächendeckenden Ausbreitung des Schädlings rechnen. Möglicherweise sind Maßnahmen, die darauf abzielen, den Befall unter Kontrolle zu halten, sinnvoller als der aussichtslose Versuch, die Milben in einem Bestand völlig auszurotten. Die sinnvollste Maßnahme – sofern man noch keinen Befall hat – ist mit Sicherheit, neue Pflanzen in Quarantäne zu halten. Dies sollte auch dann geschehen, wenn die Pflanzen keine Symptome eines Befalls zeigen. Eine vorbeugende Behandlung mit einem systemischen Akarizid (s.u.) ist anzuraten und, da „Neuzugänge“ meistens eine überschaubare Größe haben, auch mit vertretbarem Aufwand durchführbar. Vorsicht ist trotzdem geboten, wie bereits oben erwähnt sind die Milben alles andere als ortsgebunden. Es genügt keinesfalls die Pflanzen 30 m entfernt aufzustellen, da die Milben diese Distanz in kurzer Zeit überwinden. Einige Quellen raten zu sehr drastischen Maßnahmen wie Rodung des Bestands und verbrennen von sämtlichen überirdischen Pflanzenteilen. Allerdings wird dadurch die Bambuspflanzung um Jahre zurückgeworfen. Außerdem ist es alles andere als sicher, ob so wirklich alle Schädlinge beseitigt werden können und im Zweifel wächst der Parasit (bzw. dessen Population) immer schneller als der Wirt. Aus China gibt es interessante Ansätze, die Milbenpopulation durch einen Ring aus Leim am unbezweigten Teil der Halme niedrig zu halten (Zhang et al., 2003). Dies kann allerdings nur bei Bambusarten Erfolg haben, die zu irgendeinem Zeitpunkt der Vegetationsperiode das gesamte Laub und damit auch die Milben abwerfen, so dass eine erneute Besiedlung vom Boden aus nötig wird.Am reizvollsten – und ökologisch am verträglichsten – wäre eine Bekämpfung der Bambusmilben durch Raubmilben. Yutaka Saito (Saito, 1990) konnte zeigen, dass die Raubmilbe Typhlodromus bambusae als spezifischer natürlicher Feind von Bambusmilben fungiert. Leider sind diese Raubmilben bis jetzt noch nicht nach Europa eingeführt worden. Da die Bambusmilben in ihren Nestern sehr gut geschützt sind, scheiden bei den konventionellen Spritzmitteln Kontakt-Akarizide im Wesentlichen aus. Die Behandlung mit systemischen Akariziden ist denkbar und wird teilweise auch durchgeführt. Gute Erfolge sollen sich mit dem Wirkstoff Tebufenpyrad (z.B. in Masai und Oscar) erzielen lassen. Zumindest im Gewächshaus wirken aber auch andere systemische Akarizide. Wichtig ist eine wiederholte Anwendung – aufgrund des Lebenszyklus der Milben – im Abstand von 3-4 Wochen, um Nachkommen aus Eiern auch nachhaltig zu treffen. Die Behandlung mit biologischen Spritzmitteln ist schwierig, da diese meistens nur Kontaktwirkung haben, was wie beschrieben aufgrund der Gespinste nicht gut gewährleistet werden kann. Beste Wirkung haben möglicherweise Mittel auf Ölbasis, die in die Gespinste eindringen können. Leider reagieren Bambusse auf viele dieser Mittel empfindlich (Blattverfärbung und -abwurf), außerdem ist die vollständige Behandlung großer Bestände (die Mittel wirken ja nicht systemisch) praktisch unmöglich. Bei der Bekämpfung scheint es also noch kein Patentrezept zu geben, hier ist noch viel Pionierarbeit zu leisten.
Autor: Dr. Steffen Greiner (Artikel aus dem Bambus Journal 1/2006)
Literatur
Banks, N. (1917). New mites, mostly economic (Arach., Acar.). Entomol. News 28, 193-199.
Saito, Y. (1990). Life history and food habit of Typhlodromus bambusae Ehara, a specific predator of Schizotetranychus celarius (Banks) (Acari: Phytoseiidae, Tetranychidae). Exp. Appl. Acarol. 10, 45-51.
Saito, Y., Ito, K., and Sakagami, T. (2005). Imaginal induction of diapause in several ‚adult-female diapausing‘ spider mites. Physiological Entomology 30, 96-101.
Saito, Y., Mori, K., Sakagami, T., and Lin, J. (2004). Reinstatement of the Genus Stigmaeopsis Banks, with Descriptions of Two New Species (Acari, Tetranychidae). Ann. Entomol. Soc. Am. 97, 635-646.
Zhang, Y., Zhi-Qiang, Z., Lin, J., and Ji, J. (2001). Observations on the behaviour and life history of Schizotetranychus tenuinidus (Acari: Tetranychidae) inhabiting bamboo leaves in Fujian, China. Systematic and Applied Acarology Special Publications 8, 13-20.
Zhang, Y., Saito, Y., Lin, J., Chittenden, A.R., Ji, J., and Sato, Y. (2003). Ambulatory migration in mites (Acari: Tetranychidae, Phytoseiidae) to new leaves of moso bamboo shoots. Experimental and Applied Acarology 31, 59-70.